79 Sonderfahrzeuge auf dem Rhein Schiffswerft gea Groesse

 
Zwischen der jetzigen Anlegestelle der Köln-Düsseldorfer-Schifffahrtsgesellschaft und einem Teil der früheren Oelwerke „Unichema“ befand sich von 1858 – 1887 eine Schiffswerft, deren Eigentümer Heinrich Prenger war. Der Schiffsbauer Heinrich Prenger kam von der alten Schiffsbauerstadt Dorsten aus nach Emmerich. Obwohl Dorsten eine weit vom Rhein entfernte an der unteren Lippe gelegene Stadt ist, war sie selbst für das Schiffer- und Schiffsbautenland Niederlande nicht selten eine scharfe Konkurrenz.
Am Niederrhein selbst gab es bis 1858, als Prenger seinen Betrieb von Dorsten nach Emmerich verlegte, nur eine Werft für den damaligen Holzschiffbau, die Werft „Berninghaus“ (heute noch für Eisenschiffbau in Köln-Mühlheim).
Durch die Emmericher Werft hindurch führte die „Untere Rheinpromenade“ als Straße (Rheinuferstraße). Oberhalb der Straße befand sich die „Heiling“, der für Neubauten bestimmte Platz. Es war eine sogenannte „Querheiling“, d. h. beim Zuwasserlassen kam das Schiff mit der ganzen Längsseite zugleich in den Rhein.
Das unterhalb der Straße gelegene und bei niedrigem Wasserstand weit in den Rhein reichende Ufergelände diente für Ausbesserungsarbeiten. Auf diesem Werftteil befanden sich 12 Schlittenanlagen, auf denen die Schiffe aus dem Rhein gezogen und ins „Trockendock“ gebracht wurden. Die Schlitten (ca. 10 m lange Eichenhölzer, oben flach, unten entsprechend der Rinnenhöhlung gewölbt) liefen in gut mit Seife eingeschmierten Rinnen. Am Kopfende trugen sie eine starke Eisenschlaufe, in der die Taue beim Aufziehen der Schiffe befestigt wurden. Die Schlitten schob man unter das am Ufer liegende Schiff und dann wurde es durch schwere Walzenwinden, die von vier Männern bedient wurden, bergauf gezogen.
Dort wurden die Schiffe einer Reinigung (innen wie außen) unterzogen, kleine Schäden wurden in Ordnung gebracht, Nähte mit Werg und Pech „kalfatert“ (gedichtet), neu geteert und gestrichen. Erst dann kam der Stapellauf des Schiffes. Der Stapellauf des letzten auf der Werft gebauten Schiffes fand 1882 statt. Es war ein hölzernes Schiff von 170 Last (340 t). Die Segnungen übernahm der Pfarrer Trost aus Emmerich.
Die neuen großen Schiffe wurden auf der Heiling oberhalb der Straße gebaut und zu diesem Zweck „auf Kiel“ gelegt. War das Schiff fertig für den Stapellauf, so wurden die Schlittenanlagen über die Straße so weit verlängert, dass das Schiff ganz auf die Schlitten niedergelassen werden konnte. Zu diesem Zweck wurde die Straße für 2 Tage für den Verkehr gesperrt. Das war auch der Grund, dass die Zeit des Stapellaufs durch die Polizei in der Ortspresse bekanntgegeben wurde, was viele Leute aus Emmerich und Umgebung zu diesem Schauspiel trieb. Es wurden gebaut: Rudernachen, Schiffe zur Beförderung von Kies und Sand, Fährschiffe für das Eisenbahntrajekt bei Spyk und sonstigen Übersetzverkehr über den Rhein mit den zum Fährbetrieb gehörigen Gierleitnachen, Brückenpontons für die Schiffsbrücken in Wesel und Köln. Baggermaschinen und andere Fahrzeuge für die Stromverwaltung sowie große Segelschiffe wurden dort ausgebessert und neu gebaut.
Die Schlitten waren mit kräftigen, durch ihre Eisenschlaufen gezogene Taue an die fest im Boden verankerten Rinnenstämme gebunden. Um die Haltetaue nicht sofort durch das ganze Schiffsgewicht zu belasten, mussten an Bug und Heck schwere Holzklötze und Keile (Stopphölzer) unter die dem Rhein zugewandte Seite des Schiffes gelegt werden und noch je 3 schwere Handwinden (Steckwinden), die den Druck des Schiffes nach Beseitigung der Stopphölzer auffangen mussten. Durch die Haltetaue, die Stopphölzer und die Steckwinden wurde das Schiff bis zum Ablauf festgehalten. Am folgenden Tag begannen die Arbeiten für die Aufbauten, wie z. B. Deck, Ruff und Masten, dann wurde das Schiff nach Wesel oder auch Holland zum Auftakeln gefahren.
Da das Schleppen der Schiffe wesentlich schneller mit Dampfern als mit Segeln vonstatten ging, bedeutete das ein langsames Ende des so umfangreichen Takelgeschäftes. Beschleunigt wurde dieser Prozess jedoch durch die Versandung der Werft; es wurde hier so viel Sand angeschwemmt, dass es bei niedrigem Wasserstand nicht möglich war, die Schlitten unter den Schiffen anzubringen, weil sie nicht nahe genug an das Ufer gelangen konnten.
Schiffe mussten nun zu einer Werft nach den Niederlanden fahren, was dazu führte, dass der Sohn des inzwischen verstorbenen Schiffsbaumeisters Heinrich Prenger die Werft 1887 nach Ruhrort verlegte, wo sie in eine Werft für eiserne Schiffe umgewandelt wurde.
Johann Prengers erstes erbautes Schiff hatte den Namen „Else“ und trug etwa 200 Last (400 t).
In Emmerich erinnern noch das Denkmal auf dem Grabe des Schiffsbaumeister Prenger und ein Werftmodell im Rheinmuseum daran, dass hier auch einmal Schiffsbau betrieben wurde.